Sechs Stunden voller Action – Übung für das THW Alzenau

Obwohl für den 14.12.2019 der letzte Ausbildungsdienst für das Kalenderjahr angesetzt war, konnte niemand erahnen, welche Wendung dieser Tag für den 1. technischen Zug des Ortsverbandes Alzenau noch nehmen würde. Gegen 8:15 Uhr beim gemeinsamen Frühstück in der THW-Unterkunft schallten die Funkmeldeempfänger. Ausgelöst durch die integrierte Leitstelle Aschaffenburg wurde zu einem Übungseinsatz für den kompletten Ortsverband alarmiert. Einsatzort war die alte Schule in Niedersteinbach, wo es nach Experimenten mit selbstgebauten Knallkörpern zu einer größeren Explosion gekommen sein sollte.

Rasch wurde die Marschbereitschaft hergestellt und es erfolgte vor der Abfahrt noch eine kurze Einweisung zur fiktiven Schadenslage. An der fiktiven Einsatzstelle angekommen, mussten zunächst die Fahrzeuge in der steilen Straße unter den gegebenen Verhältnissen sinnvoll platziert werden.

Es folgte durch den Zugführer eine Lageeinweisung vor Ort sowie die Zuteilung der Mannschaft auf die ersten Schadensschwerpunkte. Die Bergungsgruppe hatte den Auftrag, eine Abstützmaßnahme mittels Einsatzgerüstsystem im Kellergeschoss zu realisieren, während die Fachgruppe N mit der Absuche des Außenbereichs begann. Hierbei wurden bereits die ersten zu rettenden Personen lokalisiert und unter Zuhilfenahme von Leitern und Rettungsausstattung aus einem Kellerschacht gerettet. Erschwert wurden diese Maßnahmen durch Schaulustige und vermeintliche Verwandte der zu rettenden Personen, die immer wieder an die Einsatzstelle vordringen wollten. Dabei wurde ein Vater selbst zu einer zu rettenden Person, nachdem er kollabierte.

Nach Abschluss der Sicherungsarbeiten im Kellergeschoss konnte mit der weiteren Erkundung des Gebäudeinneren fortgefahren werden. Hierbei waren mehrere eingeklemmte Personen unter Trümmerteilen zu befreien bzw. mussten Trümmerteile mittels manuell betätigter Seilzüge bewegt werden, um den Zugang zu weiteren Gebäudeteilen zu ermöglichen. Besondere Herausforderung war hierbei, dass zunächst Festpunkte als Gegenlager für die Mehrzweckzüge geschaffen werden mussten. Hierzu wurden kleine Mauerdurchbrüche erstellt, durch die dann eine Rundschlinge geführt werden konnte. In Summe mussten vier Teile mit jeweils dem Gewicht einer Tonne gehoben oder verschoben werden.

Bei der weiteren Erkundung wurde zunächst ein zweiter, noch versperrter Zugang zum Übungsgebäude erschlossen, um eine bessere Zugänglichkeit zu ermöglichen. Hierzu mussten verschiedene Materialen getrennt und aus dem Weg geräumt werden. Im oberen Stockwerk wurde eine Gruppe weiterer Personen angetroffen, die zuerst als schlafend angenommen wurde. Aufgrund der Verwendung eines Gasheizgerätes im Innenraum waren diese Personen jedoch bewusstlos. Die vom Gasheizgerät ausgehende Gefahr musste erkannt werden, um dann nach Einleitung geeigneter Schutzmaßnahmen mit der Personenrettung beginnen zu können.

Parallel hierzu wurde durch geeignetes Personal mit entsprechender Ausstattung das Gebäude komplett stromlos geschaltet. Dieses Vorgehen wäre nicht nur im Realfall sondern hier auch im weiteren Verlauf des Übungseinsatzes wichtig, um die Gefährdung durch elektrischen Strom zu minimieren. Danach konnte mit dem Einsatz schwerer Geräte, wie z.B. dem Aufbrechhammer, mit der Personenrettung begonnen werden, denn noch immer wurden mehrere Personen im Objekt vermisst. So stieß Fachgruppe N nach Durchdringen einer Wand und einer versperrten Türe auf eine verletzte Person mit einer Pfählungsverletzung durch eine Baustahlarmierung. Hier wurde die Personenrettung durch einen fiktiven Notarzt unterstützt, welcher das weitere Vorgehen anwies und auf eine möglichst schonende Rettung mittels hydraulischer Schere und zugehöriger Hochdruckhandpumpe zur Reduktion der Vibrationen bestand.

Als letzte Hürde mussten noch drei weitere Personen aus Höhen und Tiefen gerettet werden. Hier wurde eine abgestürzte Person aus einem als unzugänglich definierten Schacht über zwei Stockwerke nach oben gebracht. Eine weitere Person befand sich auf dem nur über eine  Bodentreppe erreichbaren Spitzboden.

Als besondere Herausforderung stellte sich die Befreiung aus dem nicht direkt zugänglichen Raum heraus. Dieser musste von oben durch die Decke mittels eines Durchbruches erreicht werden. Hierbei ist es zunächst wichtig die Konstruktionsweise und Dicke der Decke zu ermitteln, um bewerten zu können wo und wie ein Durchbruch erstellt werden kann. Nachdem eine ausreichend große Öffnung geschaffen war, konnte die Person mit der Rettungswindel und dem Höhenrettungsgerät über den Spitzboden aus dem Raum gerettet werden.

Parallel hierzu wurden auch im Erdgeschoss schwere Stemmarbeiten durchgeführt. Es waren in Summe drei Räume auf Verletzte abzusuchen, jedoch war keiner dieser Räume über die reguläre Türe zugänglich, sodass jeweils eine Rettungsöffnung durch das Mauerwerk geschaffen werden musste.

Insgesamt 16 Personen, welche teils durch Übungspuppen teils durch echte Personen dargestellt wurden, mussten gerettet werden. Erst dann konnte die Einsatzstelle als abgearbeitet angesehen werden. Binnen sechs Stunden wurden mehrere Tonnen Material bewegt, mehrere Wanddurchbrüche sowie ein Deckendurchbruch erstellt, etliche Funkmeldungen über den Fortgang der Arbeiten übermittelt und eine Menge Schweiß vergossen. Dennoch waren sich nach den gemeinsamen Aufräumarbeiten alle einig, dass eine solche Übung das beste Mittel ist, Personal und Material auf die Probe zu stellen, um für Realeinsätze die beste Vorbereitung zu erzielen.

Das THW Alzenau möchte sich auch an dieser Stelle nochmals explizit für die Zusammenarbeit mit dem Markt Mömbris als Eigentümer der Immobilie bedanken. Sämtliche Hilfsorganisationen sind darauf angewiesen, geeignete Übungsobjekte zu finden und auch nutzen zu dürfen. Für ein Szenario dieser Art kommt definitiv nur ein Abrissobjekt in Frage. Hier konnte ein kurzer Zeitbereich zwischen dem Auszug der letzten Nutzer und dem endgültigen Abriss perfekt genutzt werden.


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